EU-Politik trifft Praxis! Ein Gespräch mit Felix Müller, dem Direktor unserer neuen Waldbesitzervertretung in Brüssel

(…)  Die AGDW und die Familienbetriebe Land und Forst haben im Januar 2025 eine eigene Repräsentanz in Brüssel eröffnet. Wir haben den neuen Geschäftsführenden Direktor der Repräsentanz in Brüssel, Herrn Felix Müller, für ein Gespräch getroffen.

Herr Müller, fassen Sie kurz zusammen: welche Ziele verfolgt die neue EU-Repräsentanz deutscher Waldbesitzer?

Die Repräsentanz hat das Ziel, die Interessen der deutschen Waldbesitzer auf europäischer Ebene effektiver und zielgenauer zu vertreten. Dabei steht die Vermittlung der spezifischen naturalen Situation und Herausforderungen der deutschen Forstwirtschaft im Mittelpunkt – sehr hohe Holzvorräte,  der Umbau hin zu klimaresilienten Wäldern und der dringend notwendige Abbau von Bürokratie. Politische Entscheidungen sollen frühzeitig auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und bei Bedarf Anpassungen aktiv forciert werden. Ein weiteres Ziel ist die Stärkung des Dialogs zwischen Waldbesitzern und politischen Entscheidungsträgern – natürlich in beide Richtungen!

Wie sieht die Arbeit der Repräsentanz in der Praxis aus?

Die Aktivitäten umfassen die kontinuierliche Erweiterung eines belastbaren Netzwerks mit relevanten Akteuren in Brüssel, darunter Europa-Abgeordnete und Mitarbeiter der Generaldirektionen für Umwelt, Landwirtschaft und Klima. Auch die Zusammenarbeit mit weiteren europäischen Verbänden im Cluster Forst und Holz und darüber hinaus wird intensiviert. Die Repräsentanz soll als „Frühwarnsystem“ fungieren, um politische Initiativen frühzeitig zu identifizieren und analysieren und wird regelmäßig an die beteiligten deutschen Verbände berichten sowie den Austausch fördern.

Was sind die größten Herausforderungen für die deutschen Waldbesitzer auf EU-Ebene?

Eine der größten Herausforderungen ist die zunehmende Regulierung, die oft zu unflexibel ist, um den besonderen Bedingungen der deutschen Forstwirtschaft gerecht zu werden. Dies betrifft etwa die „EUDR“, das „Nature Restoration Law“ oder das „Carbon Removal Certification Framework“, welche nicht zuletzt wirtschaftliche Risiken und enorme praktische Umsetzungsprobleme mit sich bringen können. Gleichzeitig erfordern die Anpassung an den Klimawandel und der Waldumbau erhebliche Investitionen und teilweise auch politische Unterstützung. Ein weiteres Problem ist die oftmals fehlende Kongruenz zwischen unterschiedlichen EU-Regelwerken, was zu Widersprüchen und zusätzlichem bürokratischen Aufwand führt.

Wie helfen Ihre internationalen Erfahrungen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen?

Die internationale Arbeit hat mir vor allem gezeigt, welche Vorbildfunktion die deutschen Waldbesitzer in der Welt genießen. Gelebte Generationengerechtigkeit und die Nutzung biologischer Automatismen sind das Fundament für nachhaltiges Wirtschaften im Einklang mit der Natur. Dass deutsche Waldbesitzer diese Prinzipien tagtäglich in die Praxis umsetzen, können sie – gerade im internationalen Vergleich – mit Stolz nach außen tragen.

Darüber hinaus bieten internationale Erfahrungen die Möglichkeit, Denkweisen politischer Akteure besser zu verstehen, sie in einen Kontext zu setzen und jene Akteure zielgenauer zu beraten. Die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven integrativ zu berücksichtigen, ist für meine Arbeit essenziell und stärkt zudem die Position der deutschen Waldbesitzer auf EU-Ebene.

Welche Rolle spielen wirtschaftliche Kompetenzen in der Arbeit der Repräsentanz?

Wirtschaftliche Kompetenzen sind wichtig, um die Auswirkungen von Regulierungen und Fördermaßnahmen auf die Waldbesitzer bewerten zu können. Meine Erfahrung aus dem Finanzsektor und das Wissen über nachhaltige Unternehmensstrategien helfen, praxistaugliche Lösungen zu entwickeln, die sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll sind.

Können neue Regulierungsvorhaben die Vielfalt der Waldbewirtschaftung sichern?

Wir dürfen eines nicht vergessen: Es gibt neben der Forstwirtschaft kaum eine andere Branche , welcher es gelingt, wirtschaftliche, ökologische und soziale Anforderungen ausgewogen in ihre Bewirtschaftungskonzepte zu integrieren und konsequent danach zu handeln. „Heute an morgen denken“ ist bei uns kein Werbespruch, sondern Grundvoraussetzung unseres Wirtschaftens. Da in der Forstwirtschaft stets das „eiserne Gesetz des Standorts“ gilt und zudem Produktionszeitraum und kapitalisierbarer Nutzen vollständig voneinander entkoppelt sind, benötigen wir den nötigen, gesetzlichen Freiraum der es ermöglicht, heute die Wälder von morgen zu gestalten. Die Vielfalt der Wälder und ihrer Bewirtschaftungsformen zu sichern und gegen jegliche Vereinheitlichungstendenzen abzusichern, ist unser Auftrag. Die Vielfalt der Waldbesitzer, der Wälder und ihrer Ökosystemleistungen bedingen einander.

Dabei sind einige der Überlegungen zu gesetzlichen Neuerungen keineswegs grundsätzlich falsch. Im Gegenteil! Sie sind oft von einem vorbildlichen und unterstützenswerten Ansatz geprägt. Jedoch scheitern sie nicht selten an ihrer Praxistauglichkeit, da die Komplexität des Waldes und der verschiedenen Waldbewirtschaftungsformen nicht ausreichend berücksichtigt wird. Unser Ziel ist es, diese guten Ansätze in einen Rahmen zu bringen, der sowohl der ökologischen als auch der wirtschaftlichen Realität gerecht wird und die Vielfalt unserer Bewirtschaftungsformen sicherstellt.

Beschäftigen Sie sich auch in Ihrer Freizeit mit dem Spannungsfeld Wald und Politik?

Ja, der Wald spielt nicht nur beruflich, sondern auch privat eine zentrale Rolle für mich. Als Jäger sehe ich die Auswirkungen politischer Entscheidungen und gesellschaftlicher Debatten auf den Wald direkt vor Ort. Themen wie der Umgang mit Wildbeständen, Naturschutzauflagen oder die Auswirkungen von EU-Vorgaben sind dabei ständig präsent. Solche Beobachtungen schärfen meinen Blick für die Herausforderungen, die Waldbesitzer im Alltag bewältigen müssen, und unterstreichen die Notwendigkeit praxisgerechter politischer Rahmenbedingungen. Politik und Praxis zusammenzubringen, ist deshalb nicht nur eine berufliche Aufgabe, sondern auch eine persönliche Leidenschaft.

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei dieser wichtigen Aufgabe!

Felix Müller: Vielen Dank und bis bald im Wald…. Oder in Brüssel!

Zur Person

Felix Müller bringt umfassende Kompetenzen aus Forstwirtschaft, Finanzmanagement und internationaler Zusammenarbeit in seine neue Rolle ein. Der gebürtige Westerwälder ist gelernter Forstwirt und verfügt über zwei fremdsprachige Studienabschlüsse mit Auszeichnung. Ergänzt wird dies durch ein Zertifikat der Harvard Business School im Bereich nachhaltiger Unternehmensstrategien.

Durch seine akademischen Abschlüsse und beruflichen Stationen in internationalen Organisationen sowie als Geschäftsführer eines Landesverbandes der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald hat er globale Perspektiven und lokale, praktische Erfahrungen gesammelt. Sein fundiertes Wissen im Finanzsektor vertiefte er zuletzt als Manager im Bankensektor. Müller bringt zudem Führungserfahrung und eine ausgeprägte Stärke im Aufbau von Netzwerken mit – essenziell für die Interessenvertretung in Brüssel.

Literatur und Links

[1] Website: https://german-forestowners.eu

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D. Fernholz